Skip to content

Fallbeispiel 2

Auch der folgende Ausschnitt aus einer Paarberatungs-Sitzung ist soweit verfremdet, dass kein Rückschluss auf reale Personen gemacht werden kann. Ich arbeite mit denselben drei Formatierungsarten wie im 1. Beispiel.

Fett: Fallbeispiel

Kursiv: meine Beobachtungen, Gedanken und Gefühle dazu

Standartformatierung: Allgemeines zur Paartherapie

Das Paar steht in einer akuten Krise.  Vor mehreren Jahren hatte Herr A. eine heimliche Außenbeziehung. Das Thema wurde die ganze Zeit von beiden verdrängt. Nach einem Kontakt des Mannes mit der früheren Geliebten bricht eine Krise aus und Frau B. realisiert, dass sie das Vertrauen in ihren Mann verloren hat.
Ich spreche das heikle Thema an, indem ich Herrn A. viele Fragen zu der damaligen Aussenbeziehung stelle
. Beide erschrecken. Er sagt, es sei ihm sehr unangenehm darüber zu sprechen und unrecht, wie er sich verhalten habe. Er sei mit sich selber nicht zufrieden, habe vieles verdrängt und vergessen.

Das Thema nimmt ihn mit. Ich will ihm eine Pause verschaffen und fahre deshalb mit Frau B. weiter.

„Wovor haben Sie Angst?“ frage ich Frau B. „Dass es wieder passieren könnte“, sagt sie und hängt viele Sätze daran, bis der erste in weite Ferne gerückt ist. Sie verliert sich im Vielreden. Ich hole sie sachte zum ersten Satz zurück und lasse sie die Angst im Körper lokalisieren. Sie deutet aufs Herz. Ich lade Sie ein, die eigene Hand dahin zulegen, die Angst zu spüren, die Hand zu spüren und Worte zu finden für das, was grad in ihr passiert. Sie beginnt zu weinen und beschreibt um Worte ringend ihre Not. Dann bitte ich Herrn A., ganz behutsam seine Hand auf die Hand seiner Frau zu legen. Beide sind ergriffen.

In meinen Paartherapiesitzungen wende ich diese Intervention oft an:
Ein belastendes Gefühl wird beschrieben und im Körper lokalisiert. Dann legt der Betroffene seine Hand auf diese Stelle. Schließlich wird der Partner eingeladen, seine Hand auch noch darauf zu legen. Ich leite die Schritte langsam und behutsam an. Dazu erfrage ich die Veränderung der inneren Befindlichkeit des Betroffenen, dann auch diejenige des Unterstützenden. Je nach Situation stelle ich dann die Verbindung zur Vergangenheit her, indem ich frage: Ist Ihnen dieses belastende Gefühl bekannt von früher? Vielleicht sogar aus der Kindheit?
Oft kommt es bei diesem Geschehen zu einem tiefen Berührtsein beider Partner und einer intimen Öffnung füreinander. Auch wenn man mit dieser Reaktion rechnen kann, wirkt sie jedes Mal wie ein kleines Wunder.

„Jetzt sind Sie nicht mehr allein mit Ihrer Angst. Sie wird gehört und gefühlt von Ihrem Mann. Lassen Sie das in Ihren Körper hineinfließen,“ sage ich zu Frau B.  Ihr Gesicht wird ganz ernst. „Jetzt sind Sie gut bei sich. Das tut Ihrem Herzen gut. Und Ihrem auch“, sage ich zu Herrn A. gewandt.

Indem ich mit Worten beschreibe, was gerade passiert, unterstütze ich das Geschehen. Anschließend lade ich die Frau ein, das Gefühl der Erleichterung in all ihre Körperzellen hineinfließen zu lassen. Das verleiht dem Erleben eine Qualität von Dauer. Es geht nicht mehr so leicht verloren. Wenn man in diesem Moment anfügt: „Jetzt kann eine alte Wunde heilen“ oder in diesem Fall „Das tut Ihrem Herzen gut“, wird das von beiden Partnern als wahr empfunden.

Im „Schlusslicht“ sagt Herr A., es sei für ihn stark und auch beschämend gewesen, das Herz seiner Frau und ihre Angst auf diese Weise zu spüren. Frau B. gesteht, dass die Selbstberührung ihr geholfen habe, zu sich zu kommen, und als sie die Hand ihres Mannes gespürt habe, sei etwas in ihr ganz weich geworden.

Zum Schluss der Therapiesitzung lade ich für gewöhnlich beide Partner ein, sich nach innen zu wenden und die Stunde Revue passieren zu lassen. Dabei sollen sie sich folgende Fragen stellen: „Was hat mich am meisten berührt von dem, was Du gesagt oder getan hast?“ und „Was nehme ich mit, wenn ich hier hinausgehe, was wird mich weiterbeschäftigten?“ Im Stehen und mit Augenkontakt teilen sich die Partner dann mit, was sie anhand meiner Fragen herausgefunden haben.